Franz Imbodens Arbeiten zum Thema «Kaleidoskopie» waren vom 21. Februar bis 21. März ’03 in der Galerie Nordstrasse zu sehen. Die thematische Einschränkung erwies sich als Glücksfall, da dadurch der Kern seines äusserst vielseitigen Werks sowie seines Denkens freigelegt wurde
Ausgangspunkt zu den Bildserien bildet die Sammlung von über 150 Kaleidoskopen, welche der Künstler im Laufe der Jahre konstruiert hat. Der Blick durch die oft komplexen, oft völlig reduzierten Röhren weckt schlummernde Bilder aus der eigenen Kindheit, zugleich öffnen sich dem neugierigen Forscher bizarre mikro- und makroskopische Formen. Dabei wird deutlich, dass die möglichen Einstellungen eine Vielzahl von Sichtweisen samt den dazugehörigen Wahrheiten produzieren.
Diese spielerisch-wissenschaftlich anmutenden Objekte waren das theoretische Programm der ganzen Ausstellung: Sie fungierten gleichsam als «kommunizierende Röhren» zwischen der fassbaren Wirklichkeit unserer materiellen Lebenswelt und einer anderen Realität, welche sich etwa beim Anblick der Umsetzungen von Imbodens kaleidoskopischen Betrachtungen in uns entfaltet.
In der Mitte der Bildfläche solcher Umsetzungen befindet sich jeweils ein Grundelement aus Imbodens kaleidoskopischer Formensammlung. Von diesem zentralen Winkelgerüst aus leitet er verschiedenste mögliche Serien von Spiegelungen und Fragmentierungen ab. Je nach Winkel werden Symmetrien repetiert oder immer komplexere Rhythmen gebildet. Gewisse Wiederholungen türmen sich unvermittelt zu verschachtelten, n-dimensionalen Würfeln, andere beginnen für den Betrachter auseinanderzubrechen und führen nach aussen fortschreitend zu neuen Formen. Besonders die fein wechselnden Farbwerte bei den grossformatigen Kohlezeichnungen betonen zusätzlich die starke Dynamik der Bilder. Diese erzeugt neue Muster und lockt den Betrachter in ein Labyrinth, dessen Ende unabsehbar ist. Bezeichnenderweise besitzen diese Bilder keine äusseren Rahmen.
Geschickt unterlaufen die konstruierten Arbeiten die festgefahrenen Bahnen unserer Wahrnehmung, indem sie geometrische Strukturen als Schlüssel zum Verständnis anbieten. Diese scheinbar sicheren Netze erweisen sich jedoch oft als abgründig. Man ist aufgefordert, die Ordnung zu verlassen und in eine andere Welt einzutauchen. Die hier angewandte subversive Strategie gegenüber Grenzen, totalen Formen und Gesetzen ist besonders listig, da sie diese benutzt, um sie im nächsten Schritt zu hinterfragen. Imbodens Arbeiten könnte man als geistige Modelle bezeichnen: Sie sollen nichts definitiv beweisen, sonder lediglich auf gewisse Dinge hinweisen, die neben der banalen Realität noch sein könnten.
Die in den Mustern eingebauten figuralen Elemente, die auch auf Biographisches verweisen, sind nur fein angetönt und nicht zentral für das Verständnis der Bilder. Trotz der engmaschigen Netze behalten Imbodens Bilder eine Offenheit, von welcher eine verführerische Sogwirkung ausgeht. Sie macht den Betrachter zum Komplizen dieses konstruktivistischen Rebellen.